von Nicole Schemelew Ch 20/1
Hallo, mein Name ist Nicole und ich möchte euch sehr gerne über mein Auslandspraktikum in Sevilla berichten. Ich bin 23 und mache eine Ausbildung zur Chemielaborantin. Im März hatte ich die Möglichkeit durch Erasmus + mein erstes Auslandspraktikum zu absolvieren. Dieses fand für 4 Wochen im Rahmen der jährlich stattfindenden „Gruppenflows“ statt. So flog ich dann gemeinsam mit zwei anderen Mädchen aus Hamburg nach Spanien. Am 05.03. war es dann soweit, nochmal alles gecheckt, ob ich nichts vergessen hab´ und dann los zum Flughafen. Geflogen sind wir über Amsterdam, da es leider keine Direktflüge nach Sevilla gibt und landeten dann ungefähr um 22 Uhr. Beim Warten auf die Koffer passierte mir dann das, was man nach einem Flug am meisten fürchtet: Mein Koffer kam nicht an. Schnell wendete ich mich an die Servicemitarbeiter und bekam den „Suchauftragszettel“ für meinen Koffer. Da so etwas jedem mal passieren kann, ist es umso wichtiger die wichtigsten Sachen und ein wenig Kleidung im Handgepäck zu haben, was bei mir zum Glück der Fall war. Danach ging es mit einem Taxi ins Appartement und erschöpft vom Flug fielen wir alle kaputt ins Bett.
Unser Appartement war mitten in einer Wohngegend nahe der Stadt. Zu dritt hatten wir eine eigene gemütliche Wohnung mit Balkon und einem Zimmer für jeden von uns. Dies fand ich sehr gut, da man damit immer einen Rückzugsort hatte. Die Wohnung hatte alles was man brauchte und war sehr ordentlich. Ich war sehr positiv überrascht. Am nächsten Tag hatten wir einen Termin, bei unserer Betreuerin der Partnerorganisation Incoma, wo uns unsere Fahrkarten gegeben und nochmal einige Infos mitgeteilt wurden. Den Rest des Tages hatten wir frei und haben die Zeit direkt genutzt um die Straßen von Sevilla ein wenig zu erkunden. Sofort fielen mir die Orangenbäume auf, die in den Straßen wuchsen - die Orangen konnte man leider nicht essen :( Dadurch rochen viele Straßen angenehm nach den Orangenblüten. Da Sevilla viele enge Gassen hat, war ich erstmal sehr verwirrt und meine Orientierung lies zu wünschen übrig, dies änderte sich aber von Tag zu Tag.
Am Dienstag begann dann mein erster Arbeitstag. Begleitet wurde ich noch von unserer Betreuerin, die mit mir gemeinsam den Weg gefahren ist und mich zur Firma gebracht hat. Mein Betrieb befand sich in einem Industriegebiet und war ein kleines Labor namens „Tecnoscience laboratorios“, welches Lebensmittel und Kosmetik mikrobiologisch und chemisch untersucht, aber auch für die Herstellung von Kosmetika zuständig ist. Bei der Begrüßung mit den Kollegen erfuhr ich, dass keiner von den Mitarbeitern richtig Englisch reden konnte und da mein Spanisch nicht das beste ist, war ich im ersten Moment ein wenig überfordert mit der Kommunikation. Dies besserte sich jedoch von Tag zu Tag und auch wenn man die Sprache nicht perfekt konnte, verstand man sich trotzdem oder konnte im Notfall den Google-Übersetzer benutzen. Anders als in Deutschland nannten die Spanier die Pause um 12 Uhr „Desayuno“ = Frühstück und nicht „Mittagspause“. Zu diesem wurde ich auch immer mitgenommen mit den Worten „Vamos desayunar“, bei welchem wir draußen vor einer Bar neben dem Labor saßen und Kaffee oder Tee bestellten.
Die Stimmung im Labor empfand ich als sehr familiär und die Mitarbeiter waren alle sehr freundlich und hilfsbereit. Da einige Tage später dort auch einheimische Praktikanten anfingen zu arbeiten, hatte ich die Chance verschiedene Menschen in meinem Alter und meiner Berufsrichtung kennenzulernen. Insgesamt fiel mir auf, dass die Spanier weniger zurückhaltend und lockerer sind mit neuen Menschen. Der Umgang der Praktikanten unter sich und mit den Mitarbeitern war von Anfang an sehr offen und locker, so als würde man sich schon länger kennen.
Meine Aufgaben im Labor waren hauptsächlich die Herstellung und Verpackung von Cremes oder Sprays. Dies passierte dort alles händisch und in kleinen Mengen. So durfte ich alles einwiegen und zusammenrühren, wie in einer kleinen Küche. Dies hat mir sehr sehr gefallen, da man so eine Herstellung in der heutigen Zeit eher selten vorfindet. Außerdem hatte ich auch bei den mikrobiologischen
Untersuchungen mitgeholfen und hatte zum Beispiel Probematerial eingewogen, Filtrationen durchgeführt oder Bakterien ausgezählt.
Gearbeitet habe ich von 8:30 bis ca. 14:30 Uhr, was ich als sehr angenehm empfand, da noch genügend Zeit blieb, um die Stadt am Nachmittag zu erkunden oder auch Einkäufe zu erledigen. In den ersten
Tagen hatten wir uns erstmal ein wenig eingefunden, für die Wohnung eingekauft usw. Am 4. Tag kam dann endlich auch ein Anruf vom Flughafen, dass mein Koffer gefunden wurde und am nächsten Tag wurde er auch schon ins Appartment geliefert. Einerseits hat mich diese Erfahrung gelehrt, dass man gar nicht so viele Sachen benötigt wie man immer denkt, aber andererseits war ich auch froh, meine kompletten Sachen wieder zu haben, vor allem weil es anfing immer wärmer zu werden und ich im Handgepäck nur wärmere Sachen hatte.
Im März ist es in Sevilla schon sehr warm, sehr ungewohnt wenn man vor Kurzem noch im kalten Hamburg war. Am Anfang war es etwas wolkig und regnerisch (untypisch für Sevilla) aber danach kamen sommerliche Temperaturen auf und am Ende hatten wir fast 30 °C. Aus diesem Grund haben wir die meiste Zeit draußen verbracht und ganz viel Sonne getankt. Unser Lieblingsplatz war eine Wiese nahe des Stadtzentrums, an der wir uns nach der Arbeit oft getroffen haben. Dort wurde es um den Nachmittag herum sehr lebhaft mit z. B. Hobby-Akrobatik-Künstlern oder auch Leuten, die Gitarre spielten und sangen.
Wenn wir nicht am Sonne tanken waren, fand man uns in Restaurants Tapas essen und „Tinto de Verano“ trinken, Rotwein mit Zitronensoda gemischt. Wirklich sehr lecker! In Sevilla gibt es wirklich in jeder Ecke ein Cafe oder Restaurant, welche vor allem in den Abendstunden sehr gut besucht waren, weswegen es in den Straßen immer sehr lebhaft war. Einer der schönsten Orte war für mich die „Plaza de Espana“. Ein Ort mit einer wunderschönen Architektur, an dem ab und zu auch Flamenco-Tänzer kleine Aufführungen geben. Beim Zuschauen tauchte man wirklich in eine andere Welt ein. Ebenfalls sehr faszinierend sind die „Setas de Sevilla“, auf die man hoch kann und einen Blick auf die ganze Stadt hat. Bei Eintritt der Dunkelheit gibt es dann das nächtliche Aurora Lichtspiel, welches man auch
unbedingt gesehen haben sollte. Insgesamt hat Sevilla viele Sehenswürdigkeiten und Orte, die man alle auf jeden Fall besuchen muss, da sie alle einzigartig sind.
Da das Wetter so schön war, haben wir an einem Wochende mit einem Mietauto das Umland von Sevilla erkundet. Tarifa, Cadiz und den Strand „Playa de Matalascanas“. Tarifa ist eine sehr schöne
und idyllische Stadt, die an zwei Ozeane angrenzt und am südlichsten Punkt Europas liegt. Wir konnten von dort sogar rüber nach Afrika schauen, das war sehr faszinierend. Da wir bei der Rückreise von Malaga aus nach Hamburg flogen, freute ich mich, dass wir auch nochmal die Chance hatten, Malaga ein wenig zu erkunden. Ebenso eine sehr schöne Stadt in der ich gerne noch länger geblieben wäre.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich sehr froh war, die Chance ergriffen und mich für das Praktikum angemeldet zu haben. Man hatte so viele neue Eindrücke und Erinnerungen erhalten, die man sein ganzes Leben nicht mehr vergisst und konnte mal aus seiner üblichen „Bubble“ raus und sehen, wie sich das Leben in anderen Teilen der Welt abspielt. Auch persönlich habe ich gemerkt, dass ich durch das Praktikum viel selbstständiger geworden bin und nun auf einige Dinge mit anderen Augen draufschaue. Ich würde das Praktikum allen empfehlen, die gerne Neues erleben wollen und ihre Komfortzone verlassen wollen und tolerant und offen für neue Kulturen sind. Man sollte außerdem die Fähigkeit haben, Situationen, die im ersten Moment für einen befremdlich oder unangenehm sind, aushalten zu können. Da ich so gute Erfahrungen gemacht hab, würde ich so ein Auslandspraktikum auf jeden Fall auch nochmal ein zweites Mal machen.